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DRUCKVERSION Ulrich Schwerin über Uwe Rada

Ein italienisches Restaurant ist eigentlich nicht der richtige Ort, um etwas über das polnische Berlin zu erfahren. Doch der Italiener im Erdgeschoss der Berliner "tageszeitung" ist ein guter Treffpunkt für ein Gespräch mit Uwe Rada, der für diese Zeitung seit langem über Polen und das polnische Berlin berichtet. Der Journalist und Schriftsteller stieß erstmals nach dem Fall der Mauer auf die polnische Gemeinde in Berlin. "Wenn man in der Straßenbahn ständig Polnisch hört, kann man entweder weghören oder es lernen", meint Rada und entschied sich für letzteres.

Rund 130000 Polen sind es, die dauerhaft in Berlin leben, und weitere 100000 Pendler kommen jeden Tag zur Arbeit an die Spree. Doch obwohl sie einer der größten Minderheiten in Berlin sind, fallen sie kaum auf. "Die Polen leben über die Stadt verteilt, sprechen gut Deutsch und haben sich weitgehend integriert", erklärt Rada. Der 43-Jährige schreibt nun seit vielen Jahren für die "tageszeitung" über das Nachbarland und die polnischen Flüchtlinge, Auswanderer und Pendler, die in Berlin leben oder ihr Geld verdienen. Zudem hat er mehrere Bücher veröffentlicht.

Sein neustes Buch "Die Oder: Lebenslauf eines Flusses" ist im vergangenen Herbst erschienen und folgt dem Verlauf und der Geschichte dieses wenig beachteten und weitgehend unberührten Flusses. Auch in "Zwischenland" richtete er seinen Blick auf diese halbvergessene Grenzregion, die erst langsam zusammenwächst. Besonders hat ihn beschäftigt, warum sich Berlin nicht für seine polnischen Nachbarn interessierte. Nur achtzig Kilometer von der Grenze entfernt, schien Berlin eigentlich geradezu dafür bestimmt, ein Tor zum Osten zu sein, meint Rada. Doch Berlin habe sich nach dem Mauerfall erneut abgegrenzt, diesmal nach Osten.

"Ich war erstaunt, dass Berlin seine eigene Geographie verleugnet hat und sich ganz nach Westen wandte", sagt Rada. "Vielleicht lag es daran, dass Berlin nicht gleich wieder Grenzstadt sein wollte." Doch das ohnehin wirtschaftsschwache Berlin hat damit viel vertan, ist Rada überzeugt. Andere Regionen in Deutschland verdienen längst gutes Geld am Handel mit Polen. Berlin hingegen habe erst nach dem EU-Beitritt Polens im Mai 2004 die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ausgebaut.

In Berlin habe man lange mit Polen vor allem Putzfrauen und Bauarbeiter verbunden, sagt Rada. Dabei hätten auch sie als billige Arbeitskräfte viel zur Entwicklung Berlins beigetragen. Erst heute verändere sich das Polenbild, da statt Arbeitern auch immer mehr Unternehmer, Studenten und Künstler kommen. Seit einigen Jahren haben auch die Berliner das östliche Nachbarland entdeckt und fahren vermehrt nach Krakau, Danzig oder Breslau. Doch während Berlin langsam sein Interesse an Polen entdeckt, bleibt das polnische Berlin weiterhin verborgen.

Früher gab es einmal einen Polenmarkt, der zugleich als Stellen- und Wohnungsbörse diente. Doch er ist genauso verschwunden wie der polnische Gottesdienst. Einzig der "Club der polnischen Versager" in Berlin-Mitte ist geblieben und organisiert Konzerte und Lesungen, Ausstellungen und Filme polnischer und anderer Künstler. Doch bloß weil man die polnische Kultur nicht sieht, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt, meint Rada. "Die polnische Kultur in Berlin hat es nicht mehr nötig, als 'Polnische Kultur' aufzutreten", sagt Rada. "Längst findet man sie überall in Theatern, Galerien und Konzerten."
Ulrich Schwerin über Uwe Rada in: "Deutschland. Land der Ideen"

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