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DRUCKVERSION Tanja Dückers über Uwe Rada

Schon sein Name klingt in den Ohren von Polen und Tschechen vertraut: Rada heißt in Tschechisch und auf Polnisch so viel wie "Rat, Ratschlag", auch "Geheimrat". Eine Art Geheimrat vor allem in Sachen deutsch-polnische Beziehungen stellt Uwe Rada, seit 1994 Redakteur bei der taz und Autor von mittlerweile 7 Büchern, tatsächlich dar. Denn er ist einer der wenigen Journalisten und Autoren in Berlin, die wirklich begriffen haben: Berlin ist eine Stadt auf der Schnittstelle zwischen Ost und West. Und: Polen ist kein fernes Land, sondern nur eine Zugstunde von Berlin entfernt. Und es rückt immer näher: Über 130.000 Menschen mit polnischer Muttersprache haben sich Berlin als Wohnsitz ausgesucht.

Es heißt, daß ein Fünftel aller Polen Deutsch spräche, aber nur zwei Prozent der Deutschen des Polnischen mächtig seien. Rada, der von seiner Ausbildung her kein Polonist ist, kann sich zu diesen zwei Prozent zählen. 1963 in Göppingen, Baden-Württemberg geboren, hat er sich zunächst in der "Literarischen Werkstatt Göppingen" umgeschaut, Germanistik und Geschichte studiert, das Studium dann aber abgebrochen und insgesamt fünf Jahre als LKW-und Gabelstapelfahrer verbracht. Der Osten lag erst einmal nicht auf der Hand für ihn. Immerhin: Es zog ihn schon früh, Anfang der Achtziger, nach Berlin. Dennoch hat er nicht den Kopf in den Sand gesteckt wie so viele Westdeutsche in der Subkultur-Hochburg, die weder von der Wende noch von der EU-Osterweiterung etwas wissen und stattdessen lieber in ihren heimeligen Alternativ-Oasen alt werden wollten. Bloß keine Ruhestörung! Weder die Demo noch der Vorgarten sollten irgendwie anders bestellt werden als im Jahr zuvor. Das Desinteresse der Kreuzberger an der Wende war ja nicht viel weniger ausgeprägt als das der Spandauer.

Doch im Gegensatz zu vielen seiner süddeutschen Landsmänner in Berlin entwickelte Rada sofort großes Interesse an den vielen Ostlern, die auf einmal nach Berlin strömten und schrieb "Berliner Barbaren – Wie der Osten in den Westen kommt" (BasisDruck Verlag, Berlin 2001). Ein Buch, über das die Süddeutsche schrieb: "Wer Radas Buch gelesen hat, bekommt eine Ahnung von der politischen und kulturellen Geographie Berlins, von seiner tatsächlichen Lage. Ein in hohem Maße notwendiges Buch". Die FAZ erschauert angesichts der Barbaren aus "dem" Osten und spricht von "erschreckenden Erkenntnissen". Ganz und gar unerschrocken macht sich Rada gleich weiter auf ins "Zwischenland", in die deutsch-polnischen Grenzgebiete (die längste Grenze teilt Deutschland mit Polen, sei hier kurz angemerkt) und schreibt das nächste wunderbare Buch "Zwischenland – Europäische Geschichten aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet" (be.bra-Verlag, Berlin 2004).

Die Oder, der Grenzfluß, scheint es Uwe Rada angetan zu haben, schon im nächsten Jahr erscheint "Die Oder – Lebenslauf eines Flusses" (Kiepenheuer-Verlag, Berlin 2005), ein Buch, in dem ein persönlicher Reisebericht genauso Platz findet wie naturwissenschaftliche und geographische Betrachtungen. Der Reiz, den Radas Bücher ausmachen, ist, dass der Autor so souverän zwischen investigativem Journalismus und poetischen Passagen changieren kann. Seine Herangehensweise an kulturell, topographisch und politisch geprägte Räume ist unbedingt universalistisch – in einer Ära von Fachidiotentum eine seltene Begagung.

In seinen zahlreichen Beiträgen in der taz setzt sich Uwe Rada unter anderem mit der Rolle der polnischen Mitbürger in Berlin auseinander. Er fragt: Warum spielt "Polski Berlin", das polnische Berlin, in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle? Und stellt fest: "Während die türkische Community mittlerweile längst in aller Munde ist und auch Einzug in die Medien, in Film, Popkultur und die multikulturelle Debatte gefunden hat, ist es um die polnischen Berliner nach wie vor ruhig". In diesem Jahr ist neben einem weiteren "Wasserbuch" (Fokus Wasser – Brandenburgs Kulturlandschaft im Wandel, Koehler & Amelang, Berlin 2007) ein ansprechendes, praktisches kleines Büchlein "Polen – hin und weg – Kurztrips zum Nachbarn" in der Edition q im be.bra.Verlag (Be.Bra. steht übrigens für Berlin-Brandenburg) – auch wieder eine lesenswerte Mischung aus Selbsterlebtem und Faktischem.

Wie es weitergeht mit den deutsch-polnischen Beziehungen, mit den Niemiec in Polska und den Polak in Niemcy – das kann kaum einer besser analysieren als der geheime Ratgeber, den es einmal von der Schwäbischen Alb nach Berlin und dann noch weiter östlich hin verschlagen hat. Warten wir aufs nächste Buch!
© Tanja Dückers, Berlin, im Oktober 2007

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