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DRUCKVERSION Schöne Aussichten in der City-West

Noch im April soll mit dem Bau des 118 Meter hohen Zoofensters begonnen werden. Die City West steht vor dem größten Bauboom seit der Wende. Kritik gibt es kaum noch. Selbst der Senat hat seinen Widerstand gegen die Hochhäuser aufgegeben

von UWE RADA

Das Werbegestell ist schon weg, bald folgt der Bretterverschlag, dann kann es losgehen. Ab April soll aus Berlins berüchtigtster Baugrube das höchste Hochhaus der Stadt in den Himmel wachsen. 118 Meter hoch soll das "Zoofenster" im Jahr 2011 sein, ein Blickfang nicht nur für Touristen und Berlin, sondern auch ein Ort zum Wohnen.

Wer genügend Kleingeld mitbringt, kann sich im Zoofenster eine Suite mieten oder ein Appartment kaufen - und dann wohl auf eine Westberliner City schauen, in der nur noch wenig an den Dornröschenschlaf erinnert, der hier so lange herrschte. Charles Brunet, Sprecher der Investorengruppe Harvest aus Abu Dhabi, freut sich schon auf das 150 bis 200 Millionen Euro teure Vorhaben: Mit Projekten wie dem Zoofenster oder dem Riesenrad hinter dem Bahnhof Zoo werde die Gegend bald "eine dramatische Aufwertung erfahren".

Auch Klaus-Dieter Gröhler (CDU) kann man die Erleichterung anhören. "Die Nachfrage nach der City West wächst", freut sich Charlottenburgs Baustadtrat - und zählt dann auf, was noch so alles wachsen wird rund um Ku'damm und Gedächtniskirche. Das "Haus Cumberland" zum Beispiel, einst ein riesiges Luxushotel, soll nach jahrelangem Leerstand ab Mitte 2009 zu einem Hotelensemble mit 140 Zimmer, drei Restaurants, einem Kasino, Wellnessbereichen und einer Einkaufspassage mit Nobelgeschäften umgebaut werden. Unter dem Hardenbergplatz, auf dem sich bislang Busse und Pkws im Weg stehen, wird eine Tiefgarage gebaut. Darüber soll ein repräsentativer Stadtplatz entstehen als Eingang vom Bahnhof Zoo zur City West, zum Zoologischen Garten und zum 185 Meter hohen Riesenrad, das sich Ende 2009 drehen soll.

Über den Zoobogen, der mit seinem Charme des 50er-Jahre-Wiederaufbaus vom Hochhaus am Hardenbergplatz über den Zoo Palast bis zum Bikinihaus mit der ehemaligen "Sabine-Christiansen-Kugel" reicht, wird derzeit mit Investoren gesprochen. Geplante Summe für den Umbau: 300 Millionen Euro.

Eine Milliarde investiert

Und dann ist da noch das andere Hochhaus, keinen Steinwurf vom Zoofenster entfernt. An der Stelle des Schimmelpfenghauses, das am Breitscheidplatz noch die Kantstraße überbrückt, soll der 120 Meter hohe gläsern-schlanke Hotelturm des Investors Casia Immobilien aus dem Boden gestampft werden. Insgesamt, freut sich Klaus-Dieter Gröhler, werde eine Milliarde Euro investiert. Die City West, lautet die frohe Botschaft des Baustadtrats, erfindet sich neu.

Eigentlich wäre es der Job von Ingeborg Junge-Reyer (SPD), solche Botschaften zu verkünden. Immerhin hatte die Stadtentwicklungssenatorin nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen vor anderthalb Jahren überraschend mitgeteilt, dass die "Entwicklung eines Leitbildes" für die City West nunmehr Aufgabe des Senates sei. Viel ist dabei allerdings nicht herausgekommen. Seinen Widerstand gegen eine Tiefgarage unter dem Hardenbergplatz hat der Senat aufgegeben. Eine Shopping-Mall vor dem Bahnhof Zoo, die Bahnchef Hartmut Mehdorn und der Senat gegen den Willen des Bezirks prüfen wollten, wird es nicht geben. Auch den Hinweis des Senats, dass innerstädtisches Wohnen in der City West ein wichtiges Thema sei, hat der Bezirk längst in die Tat umgesetzt - indem die Zahl der Hotelzimmer im Zoofenster von 545 zugunsten des Wohnanteils halbiert wurde.

"Wir arbeiten mit dem Bezirk gut zusammen", lautet denn auch die Sprachregelung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Baustadtrat Gröhler formuliert es drastischer. "Vom Vorstoß des Senats ist nichts übrig geblieben", freut er sich.

Der City West kann das nur guttun. Während andernorts die Bezirksämter nicht selten ihre kleinteiligen Planungen gegen vom Senat unterstützte Investorenprojekte verteidigen müssen, verhält es sich rund um die Gedächtniskirche genau andersherum. Klotzen heißt hier die Devise des Rathauses, kleckern die des Senats. Beim Concorde-Hotel an der Ecke Joachimstaler und Augsburger Straße hatte der Senat ein ums andere Male interveniert. Vor allem der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann wollte das Hochhaus verhindern. Inzwischen wird das von Jan Kleihues gebaute Hotel in Architekturzeitschriften gefeiert. Die City West, lange Zeit ein Synonym für den verstaubten alten Westen, steht wieder für Aufbruch und Innovation.

Auch die neue Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat inzwischen verkündet, dass sie weiteren Hochhäuser nicht im Wege stehen werde. Damit könnte sich die City West langfristig neben Alexanderplatz, Friedrichstraße und Potsdamer Platz zu einer eigenen Marke entwickeln - Downtown Berlin wäre dann nicht mehr am Alex, sondern wieder im Westen.

Eine Klage zurückgezogen

Höhenflüge dieser Größenordnung wie auch Ankündigungen einer "dramatischen Aufwertung" lösen freilich nicht nur Hoffnungen, sondern auch Ängste aus. Doch anders als in Kreuzberg, wo die Bürgerinitiative "Media Spree versenken" inzwischen 15.000 Unterschriften gegen die Investorenvorstellungen von Stadtentwicklung auf beiden Seiten des Spreeufers gesammelt hat, ist es in Charlottenburg vergleichsweise ruhig.

Einzig die Stiftung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche hat beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Bau des Zoofensters eingereicht. Angeblich würde das Hochhaus die Kirche verschatten. Warum die Stiftung eine ähnliche Klage gegen das viel nähere Casia-Hochhaus zurückgezogen hat, blieb bisher ein Geheimnis. Weitaus mehr Wirbel hat da die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung erzeugt - die haben die Charlottenburger per Bürgerentscheid gekippt.

"Eigentlich haben wir darauf gehofft, dass den Hochhäusern in der City West ein ähnliches Schicksal widerfährt wie denen am Alexanderplatz", sagt der Vorsitzende des Bezirksstadtplanungsausschusses, Bert Lehmann (Grüne). Mitte der 90er-Jahre hatte seine Partei noch vehement gegen Projekte wie die Bebauung eines Parkplatzes zwischen Wieland- und Leibnizstraße protestiert. "Aber leider ist mit dem Riesenrad am Zoo etwas ins Rollen gekommen." Das Hin- und Hergerissensein vieler im Bezirk beschreibt Lehmann so: "Man ist nicht froh darüber, was da passiert, aber man ist froh, dass etwas passiert."

Seit der Senat weitgehend auf die Vorstellungen des Bezirks zugegangen ist, gehören die Grünen zu den letzten Kritikern des Hochhauszaubers am Breitscheidplatz. Zwar räumt Lehmann ein, dass die City West eine Aufwertung dringend nötig hat. "Ich frage mich aber, ob wir die mit Hochhäusern und Riesenrädern erreichen müssen." Weitgehend positiv steht der grüne Planer dagegen der Sanierung und Verdichtung des Zoobogens gegenüber: "Gegen eine Shopping-Mall, die den Hardenbergplatz mit der Budapester Straße verbindet, haben wir nichts."

Baustadtrat Gröhler treiben indes schon die nächsten Pläne um. "Langfristig", sagt er, "muss auch die Ecke Hardenberg- und Joachimstaler Straße aufgewertet werden." Und dann ist da ja noch die große Schmach für die City West - die Degradierung des Bahnhofs Zoo zum Regionalbahnhof. Eines aber hat der Stadtrat schon erreicht: Nicht nur hat der Senat beim "Leitbild" klein beigegeben, "auch das hölzerne Stadtmodell, das gerade gebaut wird, wird in der City West stehen".

Was an Bauklötzchen auf die Spanplatte geklebt wird, wollte Gröhler allerdings nicht verraten. Vor allem der Bau des Casia-Hochhauses neben dem Zoofenster ist noch immer mehr Wunsch als Wirklichkeit. Zwar hat der Investor die Genehmigung für den Abriss des denkmalgeschützten Schimmelpfengbaus und den Neubau des Hochhauses, wann der aber tatsächliche begonnen wird, steht noch in den Sternen.

Selbst das Riesenrad hat noch nicht alle überzeugt. "London hat mehr Touristen als Berlin, und trotzdem ist dort ein viel kleineres Riesenrad in Konkurs gegangen", sagt die baupolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Claudia Hämmerling. Es würde sie nicht wundern, wenn das 185 Meter hohe "Wahrzeichen Westberlins" doch nicht gebaut würde. Die City West hätte dann einen Ausguck weniger.

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